Eine Weihnachtsgeschichte von Steffen Maier
„Ei der Klaus“ – äh, ich meinte „Ei der Daus“! Was haben wir zum Jahresabschluss des SVON nicht schon für Weihnachtsgeschichten gehört. Diese zu überbieten ist ungefähr so einfach, wie manch einem Gemeinderat unserer wunderschönen Kommune klarzumachen, dass das Flutlicht im Sportpark nun mal gebraucht wird, wenn die Sonne aufhört zu scheinen und nicht, wenn die Hausordnung der gemeinen Bannholz-Fledermaus es vorsieht. Aber ich wage es trotzdem.
Vor langer Zeit, als das Weihwasser der Ulrichskirche zu Nenzingen noch nicht gefror, sobald ich die Hand an den Türbeschlag des ehrwürdigen Kirchentors legte, galten Krippenspiele noch als der Inbegriff weihnachtlicher Kultur. Diese jährlich wiederkehrenden Theaterspektakel hatten alles: Maria und Josef, die in der Regel beide überraschend lange Haare auf dem Kopf und Engel, die glänzende Alufolienflügeln auf dem Rücken trugen. Dazu kam eine Gruppe Hirten in viel zu großen Bademänteln, die regelmäßig den einzigen Einsatz des Abends verpassten. Nicht zu vergessen der Esel in seinem juckenden Kostüm, bei dem selbst der erfahrenste Veterinär reflexartig zum Flohkamm gegriffen hätte.
Aber gerade in diesen etwas chaotischen Inszenierungen zeigte sich oft die wahre Liebe der Eltern.
Die Rollen im Krippenspiel waren jedoch meist so begehrt wie ein Dienstagstraining Ende November auf dem alten Trainingsplatz in Nenzingen. Oft war der Andrang kleiner als die für den Fortgang der Geschichte notwendigen Charaktere. Dazu kamen einschränkende Rahmenbedingungen: Zum Beispiel das Mariakostüm. Dieses Meisterwerk in Größe 164, von der auf einem Auge erblindeten Marianne vor 50 Jahren aus reiner Wolle gestrickt, in das Jürgen, zarte 12 Jahre alt, aber weniger zarte 73 Kilogramm schwer, partout nicht passen wollte.
Doch zurück ins Hier und Jetzt: Heute redet jeder von Augmented Reality, zu Deutsch, der „erweiterten Realität“. Lasst uns in eine solche Welt eintauchen. Stellt euch vor: Unsere erste Mannschaft ist eine Gruppe Drittklässler und kämpft nicht auf dem Platz um Tore und Punkte, sondern anhand ihrer fußballerischen Fähigkeiten darum, wer welche Rolle im Krippenspiel des SV Orsingen-Nenzingen ergattert.
Fluchtlicht an! Ah ne – schon dunkel draußen.
Zunächst gilt es, die Hauptrollen zu besetzen. Ein Josef und eine Maria haben doch jedem noch so kreativ interpretierten Krippenspiel gut getan. Die Maria ist schnell gefunden. Josefs Auserwählte bleibt (vermutlich) bis ins Jahr 2024 nach Christus die einzige Frau, die ohne den dazugehörenden Akt ein Kind empfing. Unser Torsteher Matze hingegen ist als würdiger Nachfolger von Tobi Retzbach bereits der zweite Schlussmann in der noch jungen ON-Geschichte, der zwar zum Zählen der Gegentore einen Rechenschieber zur Hand nehmen muss, gleichzeitig aber zweifelsohne mit Marias Unschuld mithalten kann.
Die Maria ist gefunden. Doch wer soll der Josef sein? Für die Weihnachtsgeschichte ist Josef zweifelsohne von großer Bedeutung, aber ehrlich gesagt – so recht versteht seinen Auftrag doch wohl keiner. Ist er nun der Vater von Jesus? Und wer oder was ist dann der Heilige Geist? Ach, sei’s drum. Beim SVON gibt es jedenfalls einen ganz ähnlichen Charakter. Einst Kapitän und Führungsspieler, ist er bis heute nicht aus der Ersten wegzudenken – auch wenn sein Beitrag zur Erfolgsgeschichte inzwischen so schwer zu finden ist wie ein Quadratzentimeter bespielbarer Rasen im Sportpark. Nun steht es fest: Kevin muss der Josef sein!
Fehlt zur Komplettierung der sagenumwobenen Familie noch das Josu-Kind – äh, Jesuskind. Ein kleiner freudscher Versprecher, aber das könnte es wohl schon gewesen sein. Mit seiner kindlichen Haarpracht und dem angenehmen Fehlen eines ausgeprägten Bartwuchses passt der Schauspieler perfekt in seine Rolle. Mach es dir schon mal in der Krippe bequem, kleines Josu-Kind.
Nun, die besten Rollen sind vergeben – widmen wir uns dem tierischen Umfeld im Stall von Bethlehem. Ein Esel muss her, ein Ochse auch. Rollen ohne Text, da wächst die Anzahl der infrage kommenden Kandidaten. Reden auch wir nicht lang um den heißen Brei – der Ochs, dieses bullige Arbeitstier, schwerfällig, aber unermüdlich und mit vollem Einsatz, selten dabei, aber dafür öfters drüber: Ja, das kann nur unser Lenni sein. Und der wenig anmutige, sture und meist ziemlich grimmige Esel? Na, einer ist bekanntlich immer der Depp. Hannes – this one is for you. Und schubber dir bitte nicht wieder den Rücken auf im lausigen Eselskostüm!
In Omas Krippe darf eine weitere, meist in größerer Zahl auftretende Gruppe Tier nicht fehlen. Die Schafherde. Nicht selten muss ein nicht geringer Teil des Trupps durch ein Büschel Moos gestützt werden – fehlt hier und da ein beträchtlicher Teil des Beins. Somit, wäre auch diese Rolle klar definiert. Die rekonvaleszenten Nils, Tschab und Schlumpf eignen sich prächtig. Vielleicht nutzt ihr die Winterpause, um euch bei Mama eine ordentliche Portion Heißkleber abzuholen. Dann wird das bis nächstes Jahr schon wieder. Wer stehen kann, kann auch Fußball spielen.
Wo die Schafe grasen, ist der Hirte nicht allzu weit. Auch sie fehlen in keinem Krippenspiel, obwohl sie für die Handlung so wichtig sind wie ein Torhüter bei einer Torschussübung im Training der Ersten. Max, Berni, Pippo und David – danke, dass ihr in der Vorrunde dabei wart.
Kommen wir zu den Engeln – und sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Einer schwebt fledermausartig und mit weißem Kleid und Harfe über Bethlehems Krippe, während das Gewand des anderen aussieht, als hätte es nach der letzten Fasnachtsveranstaltung im Kuhstall den Teppichboden ersetzt. Manu, der Virtuose am Ball, zerbrechlich wie ein Asbach-Schwenker und dennoch unverzichtbar für den fußballerischen Genuss. Den anderen hat die Mama, selbst nicht ohne Einfluss im Dorf, persönlich in die Rolle des Engels lamentiert. Unpassend? Mögt ihr recht haben. Nun ja, Cordel, es war dein Wunsch: Patti ist Engel Nummer zwei.
Kommen wir langsam zum Ende der Geschichte. Nicht viele Rollen sind noch frei. Aber die Könige aus dem Morgenland müssen unbedingt noch besetzt werden. Schließlich bringen sie die Geschenke. Nun, was sind schon Weihrauch, Gold und Myrre, kann man doch auch unantastbares Fairplay vor dem gegnerischen Tor verschenken? So wie Robin, Daniel und Felix die Bälle in großartiger Regelmäßigkeit an des Gegners Kasten vorbeischossen – lasst euch dreien gesagt sein, ihr braucht keine weiteren Gastgeschenke zu organisieren. Macht einfach so weiter.
Geleitet werden die drei Könige übrigens vom Stern von Bethlehem. Dafür haben wir gleich zwei Kandidaten. Doch in unserer Geschichte kämen die Weisen aus dem Morgenland niemals an. Denn für diese Rolle sehen wir Olli und Tom vor. Während der eine noch immer überlegt, in welchem durch Kreide gekennzeichneten Raum der Torhüter den Ball beim Fußball mit der Hand spielen darf und in welchem nicht, rätselt der andere noch über die beim Kabinendienst erforderlichen Tätigkeiten. Irrt mal schön weiter durchs Fußballleben, ihr zwei Süßen.
Nun, wen haben wir denn da noch? In jeder Kirche und auch im Sportpark darf es nicht fehlen: Das hölzerne Kreuz. Und wie wir seit der Après-Ski-Party im vergangenen Jahr in Aach-Linz wissen, gibt es nur einen, der dafür die zweifelsohne beste Figur abgibt: Nico – wir denken heute ganz besonders an dich! Genieß deine Zeit in Düsseldorf und lass dich bitte nicht hängen! Dieses Wochenende bist du gerädert genug.
Einen Neuzugang möchte ich euch an dieser Stelle noch vorstellen: Unser Jonas „Kranen“ Liebherr muss dann, so will es die Logik der Geschichte, wohl ein Weiser aus einem fernen Land sein. Jonas, ich hoffe, in deiner Rolle bringst du uns den Frieden und nicht etwa den Abstieg. Also reiß dich zusammen und nutze die Säge in Zukunft besser als Torjubel denn zum Holz sägen. Schont Nerven und Fingerkuppen zugleich.
Marco, mein Bester – wie viele unzählige Minuten muss es gedauert haben, bis du deinen ersten Treffer bei den Aktiven markieren durftest? Du hast das schier Unmögliche wahr und deinem Papa das Jahr 2024 endgültig unvergesslich gemacht. Ich behaupte, jetzt steht dir nichts mehr im Weg. Geh raus und heile die Blinden, lass die Tauben hören und die Fledermäuse fliegen. Du, mein lieber Freund, musst zweifelsohne Gott sein!
Einen haben wir noch. König Herodes – dieser größenwahnsinnige Zampano, der sich bei der Volkszählung mehr verzettelte als unser Präsi beim Bau des Kunstrasens, kann dann wohl nur unser Coach Alex sein. In so mancher Trainingseinheit braucht es mehr als nur Zettel und Stift, bis jeder Spieler die richtige Farbe des Trainingsleibchens gefunden hat. Und das liegt nicht an manch farbenblindem Kicker! Zähl mal schön weiter, vielleicht leiht Matze dir seinen Rechenschieber.
Zuletzt, und damit setze ich einen Punkt unter diese Geschichte: Lasst euch gesagt sein, dass Judas erst Jahre nach Jesu Geburt in den biblischen Erzählungen vorkommt. Doch, schließlich will auch Ostern gefeiert sein – und so braucht jede gute Geschichte den passenden Verräter.
In diesem Sinne: Ach, wie gut, dass keiner weiß, dass der Judas dieser Geschichte Gerda heißt.
Frohe Weihnachten, ihr Lieben!